Begleitschreiben zum Jahresabschluss: Relevanz für Rating & Kreditbewertung

Das Begleitschreiben zu einem Jahresabschluss ist ein separates Dokument, welches dem Leser eines Jahresabschlusses wichtigen Kontext vermitteln soll. Dabei werden zielgruppengerecht Informationen erläutert und in das richtige Licht gerückt. Oftmals ist neben der eigentlichen Kernaussage ebenfalls der geeignete Rahmen und die Einordnung der Aussagen essentiell um die richtige Nachricht zu übermitteln. Das Begleitschreiben zu einem Jahresabschluss soll genau dies erreichen und dem Leser eine zielgruppengerechte Einordnung für den Jahresabschluss eines Unternehmens vermitteln. Denn Unternehmer und Banken oder Ratingagenturen betrachten den gleichen Jahresabschluss aus zwei komplett unterschiedlichen Blickwinkeln.

Während manche Geschäftsvorfälle, wie beispielsweise Versicherungszahlungen für entstandene Kosten oder Erträge aus Vorperioden, für Unternehmer eine Wiedergutmachung für bereits entstandene Kosten sind, sind genau die gleichen Gegebenheiten für Banken eine Position, die es zu kürzen gilt. Denn die Analysten der Banken kennen nicht die Umstände der jeweiligen Sachverhalte.

Aus der Sicht eines fremden dritten, sind dies im Zweifel einmalige Erträge, der Fokus der Banken liegt aber eher auf der dauerhaften Ertragskraft („Ist das Unternehmen in der Lage, den Kredit aus dem operativen Geschäft ohne Sondereffekte zurückzuführen“). Der Mehrwert eines extern angefertigten Begleitschreibens ist, dass genau solche Sachverhalte eingeordnet und in den richtigen Kontext gerückt werden. So können beispielsweise Versicherungsentschädigungen Kosten gegenüberstehen, weshalb das eine nicht ohne das andere beachtet werden kann.

In dem gegebenen Beispiel müsste also, um aus Bankensicht beurteilen zu können, ob ein Unternehmen seinen Kredit aus dem operativen Geschäft tilgen kann, entweder sowohl die Sondererträge als auch die Sonderaufwendungen für den Schadensfall gestrichen werden oder beides belassen werden. Im saldierten Ergebnisbeitrag würde dies nichts ändern und damit auch nicht bei der Beurteilung, ob ein Unternehmen seinen Kredit zurückführen kann. An diesem Beispiel wird deutlich, dass die richtige Einordnung dieser Positionen das Rating eines Unternehmens signifikant beeinflussen kann.

Neben der Einordnung spezieller Sachverhalte wird im Rahmen der Erstellung eines Begleitschreibens ebenfalls ein indikatives Rating für die Gesellschaften erstellt – idealerweise vor dem Abschlussstichtag Mithilfe von Forecast-Werten. Dabei werden relevante Ertrags-, Bilanz- und Liquiditätskennzahlen herangezogen.

Durch dieses indikative Rating können ebenfalls bereits Optimierungspotentiale identifiziert und umgesetzt werden. Dies ermöglicht es Unternehmern das Rating proaktiv positiv zu beeinflussen und nicht erst nach dem Erhalt eines schlechten Ratings zu reagieren und für das nächste Geschäftsjahr gegenzusteuern. Ebenfalls ist es durch die Vielzahl der verschiedenen Ratingkennzahlen eine Optimierung nicht trivial. Durch die Erstellung des indikativen Ratings können Maßnahmen zur Ratingverbesserung und ein potentieller Effekt auf das Rating simuliert werden. Dies betrifft sowohl die kurzfristige Optimierung (z.B. Zahlung von Verbindlichkeiten direkt vor Geschäftsjahresende um die Eigenkapitalquote stichtagsbezogen möglichst hoch auszuweisen) als auch mittelfristige Möglichkeiten (z.B. sukzessive Umstellung der Finanzierungen von Leasing auf Mietkäufe um die Kennzahl „EBITDA“ zu erhöhen“).

Wenn sich das Unternehmen bereits im Vorfeld intensiv mit den Themen auseinandergesetzt hat, fällt es im Jahresgespräch einfacher, den Finanzierungspartner bei der unterschiedlichen Auslegung von Sachverhalten zu überzeugen

Besonders für Banken ist eine extrem wichtige Kennzahl die Kapitaldienstfähigkeit. Dabei wird das Betriebsergebnis um nicht liquiditätswirksame Effekte bereinigt, sodass der operative Cash-Flow berechnet wird. Diesem operativen Cash-Flow wird der zu leistende Kapitaldienst, also die zu zahlenden Zinsen und Tilgungszahlungen, gegenübergestellt.

Dies kann ebenfalls im Rahmen der Ratingerstellung simuliert und Maßnahmen zur Verbesserung der Kapitaldienstfähigkeit abgeleitet werden. Dabei ist eine rechtzeitige Erstellung der Kapitaldienstanalyse sinnvoll, sodass Maßnahmen zur Gegensteuerung effektiv vor dem Stichtag umgesetzt werden können.

p.herrmann@i-capital.de

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